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Dichtestress? Theoretisch Platz für 650 000 Menschen!

16.06.2022 Albert Leiser

Unsere Stadt ist so dicht bevölkert, wie noch nie. Am 25. Mai 2022 wurde mit 440 181 Einwohnern der bisherige Höchststand von 1962 überschritten. Erstaunlich, dass es so lange gedauert hat.

Die Statistik zeigt, dass die Stadt in den 1980er Jahren eine längere Talsohle durchquerte und 1989 auf unter 356 000 Menschen schrumpfte. Seit den 1990ern ist aber wieder Wachstum angesagt. Nach Berechnungen von Statistik Stadt Zürich wird bis 2040 eine Zunahme auf 514 000 Personen erwartet. Laut Stadtentwicklung Stadt Zürich „hätten wir jetzt schon Platz für 650’000 Menschen“. 

Das sind nüchterne Zahlen, fachmännisch ausgerechnet aufgrund von Statistiken, nach mathematischen Modellen. Zwar schliesst das eine ganz andere Entwicklung nicht aus. Unvorhersehbares, wie die weltweite Pandemie oder ein seit kurzem wieder vorstellbarer Krieg, könnte jede Prognose obsolet machen. Trotzdem tun wir gut daran, uns auf diese Zahlen einzustellen. Denn hinter ihnen geht es um Menschen. Die, welche jetzt hier leben, und die, welche hier leben möchten. An letzteren wird es voraussichtlich nicht so schnell mangeln. Die Stadt ist nun mal punkto Lage, Arbeitsplätzen, Kultur- und Unterhaltungsangeboten weitherum konkurrenzlos attraktiv. Wo aber sollen über 70 000 Zuzüger wohnen? Damit die genannten 650 000 Personen Platz fänden, müssten nämlich all die auf dem Papier bestehenden Reserven an potenziellem Wohnraum auch tatsächlich voll ausgenützt werden. Selbst die Direktorin von Stadtentwicklung Zürich bezweifelt, dass das je eintreten wird.

Was liegt da näher, als die bestehenden Reserven durch eine massvolle, aber flächendeckende Verdichtung zu vergrössern? Gemäss Bevölkerungsbefragung 2021 wird bauliche Verdichtung nämlich positiv wahrgenommen, im Sinne von internationaler, vielfältiger, jünger, lebendiger. Allerdings tritt Dichtestress erfahrungsgemäss zumeist erst dann auf, wenn man selber direkt mit Verdichtung konfrontiert wird. Ein anderer Lösungsansatz wäre die Sogwirkung der Stadt auf weitere Zentren in dem, was wir heute Agglomeration nennen, umzulenken. In vielen Weltstädten gibt es eine ganze Reihe von Zentren, in denen urbanes Leben pulsiert. Zürich West zeigt, dass das funktionieren kann.